Malern mit Musik

05.11.2012 16:40

Giuseppe der Maler

 

Nein, es geht nicht um Ölgemälde, es geht um schnöde Wandmalerei – oder besser noch ums Anstreichen.
Nach dem Elektriker und den Fenstern, Türen und diversen Holzarbeiten brauchts den Anstreicher – hier in unserem Falle aber ist es „der Maestro Giuseppe“ – viel gebucht, heiß begehrt und ein Original wie es im Buche steht. Im Strafgesetzbuche..nene, das war ein Kalauer. Er ist schon eine Marke für sich, aber ein ganz korrekter. Wenn man ihn zu nehmen weiß.

Meine Freundin Trude, auch aus der kalten Heimat, fuhr erst 22 Jahre lang hin und her in den Ferien. Dann haben sie sich eine Immo gebaut und nun, nach 8 Jahren hier vor Ort, war der neue Anstrich fällig. Aber nur das Wohnzimmer und der Flur, so dass Giuseppe verpflichtet wurde.
Gleichzeitig stellte er sich bei uns vor – es gab ein ganzes Haus zu streichen, auch wenn es klein ist – aber es ist ein größerer Auftrag.

Nun beschloss er, meine Trude warten zu lassen – und direkt bei uns anzufangen.
Es kostete einige Überzeugungskraft, ihm klarzumachen, dass mich 95 Kilo geballter, bayerischer Zorn treffen würden, wenn er nicht erst die kleine Arbeit bei Trude und dann bei uns das Haus streichen würde.
Sehr geschmeichelt ob seines anscheinend guten Rufes, der die Deutschen sich um ihn streiten lässt, fuhr er also an einem Montagmorgen zu Trude und schlug am Donnerstag unerwartet bei uns in der Früh um 7 Uhr auf.

Und nun gehts los..

Singend entsteigt Giuseppe seinem verbeulten Lieferwagen – passend zum Wetter tönt es dann eine Stunde lang: „o sole mio“. Ich frage ihn, ob er nicht noch andere Lieder kennt – oh, das hätte ich nicht sagen sollen!
Nun haben wir streitende Elektriker, die sich öfters zornesrot mit geballten Fäusten gegenüberstehen und die letzten Feinheiten erledigen, einen sehr muffeligen Klempner, der eigentlich schon lange fertig sein wollte, aber immer etwas vergisst und sich nun auch mit übelster Laune einfindet – und einen aus voller Kehle schmetternden Giuseppe.
Er besingt gerade die Poesie der lebenslangen Ehe, als das Handy des Klempners klingelt. Aus einem still muffelnden, aber ruhigen Mann wird eine Bestie – er läuft fast lila an und brüllt in das arme kleine Ding – seine Frau ist dran. Er hat vergessen, ihr dies und das zu besorgen und nun steht sie in der Küche und er hat ja das Auto – seine Antworten und die sich überschlagende Stimme zeigen an, dass ihm das so ziemlich am … vorbeigeht und er ganz andere Sorgen hat.

Er hat nämlich in Casarano – das ist eine gute halbe Autostunde entfernt, ein Stück irgendwas vergessen zu kaufen – und kommt nun nicht weiter. Dasselbe Spiel wie am Mittwoch und am Dienstag. Was der gute Mann in einem Tag hätte erledigen können, braucht nun 2,3,4 Tage – weil immer ein Teil fehlt.
Und da rein schneit die Gattin mit ihrem Wunsch nach Backpulver und Zimt.

Nachdem er mit einem Fluch aufgelegt hat und versucht, sich wieder zu beruhigen, kommt Giuseppes Auftritt – er kann so böse sein!
Direkt hinterm dem armen Klempner steht er, schlingt plötzlich seine Arme um ihn wie eine liebende Frau und singt direkt in die Ohren seines Opfers aus vollem Hals den Refrain des Liebesliedes, welches die lebenslange Ehe würdigt. OHHH!!!

Der Klempner befreit sich fluchend aus der ungewollten Umarmung und will gerade losbrüllen, als ich es nicht mehr aushalte und meine: „Basta – lavorare e zitti – tutti due!“ Schluss, arbeiten und Ruhe alle beide!
Und ernte dafür ein „Scusa signora“ vom Klempner und ein breites Grinsen von Giuseppe.

Fürs erste ist Ruhe, jeder macht sich an seine Arbeit, die beiden Kampfhähne ihres Zeichens Elektriker haben angesichts des Ausbruches des Klempners schon vorher ihre Stimme verloren – himmlische Ruhe und ein schlafzimmerstreichender, fröhlich summender Giuseppe.

Der Tag verläuft friedlich, um 14 Uhr packen alle ihre Sachen – wir essen und freuen uns über die gut gelungene Farbe in den beiden kleinen Räumen, die schon fast fertig sind.
Da der Tag ein sonniger und windiger war, konnten die hier üblichen 4 Anstriche (Grundierung + 3 mal Farbe) bei geöffneten Fenstern aufgetragen werden – bis auf den letzten Farbanstrich, der kommt morgen dran.

Der nächste Tag bringt keinen Elektriker, keinen Klempner – aber Giuseppe ist da, das Herz wieder voller Lieder.
Ich komme irgendwann von draußen ins Haus und bringe ihm den Kaffee, (Espresso - "Bitte keinen deutschen Kaffee!"  - nein, keine Bange Giuseppe..), und summe dann ein altes neapolitanisches Liebeslied – Liebe zu der Heimat und der Erde und dem Meer. In den letzten Jahren nämlich habe ich vom Chef meines Herzens so viele Lieder gelernt, dass ich mit Giuseppe locker mithalten kann, nur habe ich nicht seinen wunderbaren Tenor, sondern eher einen leicht schiefen Alt und kenne immer nur die erste Strophe ;)

Er schaut ganz erstaunt, stimmt ein – und wir trällern diese melodische Ode an Napoli und Italien im allgemeinen.
Fertig – Beifall vom Chef meines Herzens und die Bemerkung von Giuseppe: „Das kostet aber extra!“

Ich nehme was mir gerade vor die Finger kommt – meine aufladbare Stablampe – und tu so, als würde ich ihn damit verprügeln. Er rennt los – und direkt raus ans Auto, setzt sich rein und fährt vom Hof.

Total perplex bleiben wir zurück. „Was war das?“ Ich zermartere mir das Hirn, mein Guter ebenso..
Wir finden keine Antwort, alle Werkzeuge liegen da, habe ich ihn beleidigt? Mit dieser Geste?
Bin ja bekannt für mein Talent, kein Fettnäpfchen auszulassen :/

20 Minuten später steht Giuseppe wieder auf dem Platz vor unserer Hütte – und hat ein kleines Päckchen in der Hand. Strahlend überreicht er es mir: „Per la signora che stima la mia terra!“  -  Für die Frau, die meine Erde achtet. Da hat mein schiefer, aber leidenschaftlicher Gesang wohl ein Herz berührt..

In dem Päckchen sind lauter kleine, klebrige Süßigkeiten, er war in der Pasticceria und hat mir eine Konfektschale zusammenstellen lassen. Ich bin ja noch viel perplexer als eine halbe Stunde zuvor!
Also schnell noch einen zweiten Kaffee gekocht, zusammen pro Kopf um die 1000 Kalorien verspeist und dann weitergemalert und geträllert – in bestem Einvernehmen.

Nach 3 Tagen war Guiseppe fertig, er war zufrieden und wir auch – und ich habe runde Ecken in den Schlafzimmern. Denn auf die Leiter steigen und mit dem kleinen Pinsel die dunkle Ecke ausmalen, die von der weißen Decke trennt – ne, da hatte er dann keine Lust mehr. „Wenn ich mal wiederkomme“ meinte er.
Na, damit kann ich leben ;)