Stille Momente

17.02.2013 18:39

Stille Momente

 

Ruhe ist eingekehrt, ein Projekt abgeschlossen, eine Entscheidung wurde getroffen, ein liebes Familienmitglied war zu Besuch und ist unter allseitigem Tränenfluss wieder abgereist.

Und wir sitzen am Kamin, ich schreibe vor mich hin und lass die Traurigkeit des Abschieds nachwirken, aber auch die Freude über das Projekt. Denn damit haben wir eine gute Arbeit hingelegt und anderen welche abgenommen und Freude bereitet. Als Bonus gibt’s in wenigen Monaten liebe Nachbarn mit teils großen Übereinstimmungen in der Art zu leben, Natur und Tiere zu achten, Genuss und Ruhe zuzulassen ohne das typisch deutsche Gewissen, welches dauernd ruft: „Schaffe! Ackere! Los!“

Und daher soll dies auch ein kleiner Appell sein an meine Landsleute, auch mal ohne schlechtes Gewissen an sich selbst zu denken, Ruhe und auch Melancholie zuzulassen.
Irgendwo sagte mal ein Mensch auf die Frage, was er denn tue, wenn er an einem freien Tag das Haus nicht verlasse, ob ihm das nicht langweilig sei: „Ich wohne.“

 

Und hier macht man dann sowas wie wir heute, wenn man sich Zeit nimmt, das Herz schwermütig und dennoch froh – dunkle Wolken und dazwischen pralle Sonne - passendes Wetter zur eigenen Stimmung - und den Sonntag vor uns: Wir entschieden, heute nicht zu arbeiten, nicht zu putzen, nichts Großes zu kochen, sondern fuhren einfach drauf los, durch die Olivenhaine. Auto abstellen, zu Fuß lange laufen – immer mit dem Hintergedanken, dass dies wundervolle Spazierwege für die Seele sind, stundenlanges Laufen vorbei an riesigen Olivenbäumen, Palmen, Kakteen, historischen Trulli, kleinen Landhäusern mit Orangenbäumen davor, vorbei an Gemüsebeeten ohne Zaun, an großzügigen Hundelausläufen mit wild bellenden und schwanzwedelnden Aufpassern drin, an gackernden Hühnern und alles anknabbernden Ziegen.

Der eine oder andere nicht abgeerntete Mandelbaum sorgte für eine kleine Zwischenmahlzeit, Mandeln knackten auf Stein und wurden ausgepult. Mandarinen und Orangen am Wegesrand wollten gepflückt und verzehrt sein – herrlich süß und saftig direkt vom ungespritzten Baum in den Mund. Wir pflückten einen großen Strauß Frühlingsblumen, der wird mein Herz ein wenig trösten, welches den morgendlichen Abschied noch verarbeitet.

Später die obligatorische Fahrt zum Lieblingscafé nach Santa Maria und Seele baumeln lassen beim Schauen – Angler saßen auf den Klippen, um das Mittagessen zu fischen.

Ein kleiner Abstecher nach Gallipoli, die Altstadt mit ihren engen Gassen um die Mittagszeit, hinter jeder Tür bereitet man das Sonntagsessen zu, letzte Gemüsebauern kommen nach Hause vom Straßenverkauf, Fischer packen zusammen.

Wir fuhren im Schritttempo einem Eselskarren hinterher, begegneten den sonntäglichen Ausflüglern mit ihren kleinen Pferdekutschen und hielten auf einen Schwatz mit dem Ziegenhirt an, dessen Herde sich widerborstig zwischen uns und die Zufahrt zur Landstraße stellte, um erstmal links und rechts alles abzufressen, was man auf den Hinterhufen stehend so als Ziege erreicht. Arme Schafe, die können das nicht ;)

Zuhause angekommen wurde nur ein großer Gemüseberg gewaschen, den uns ein befreundeter bauer geschenkt hatte vom Karren runter. Brot, Olivenöl und ein paar unterwegs gepflückte Zitronen, eingelegte Oliven und Paprika, Ziegenkäse, Wasser und Wein auf den Tisch gestellt – so ein einfaches, aber frisches Mahl war genau das Richtige heute für abschiedstraurige Mägen voller Eindrücke, die Meeresbrise und den Duft der Bäume und Blumen noch in den Nasen.

Nun ist die Sonne untergegangen, das Feuer prasselt, draußen „unterhalten“ sich unsere Hunde lautstark mit den Hunden der weit entfernten Nachbarn. Die Hühner schlafen schon, wieder in ihrer Ecke alle auf einem Haufen sitzend, die Solarbatterien sind voll und im Hintergrund läuft Rachmaninovs Klavierkonzert No. 2 – das muss ich ausmachen, die Eindrücke von heute sind einfach zu stark für solch kraftvolle Musik.

Ich schick Euch in die neue Woche mit ein paar Eindrücken von Ruhe und Besinnlichkeit und widme mich meiner  Melancholie…

Eure mamaleone